© MICHÈLE BACHMANN COACHING
Eine Liebesgeschichte zwischen Stahl und Holz und ein Spiegel für uns alle
Es war einmal ein Kreuzfahrtschiff namens MS Sehnsucht, das Tag für Tag durch die Weltmeere glitt. Es war prächtig, stolz, und doch trug es eine stille Sehnsucht in seinem stählernen Herzen: Es wollte einmal auf einen Baum klettern. Nicht aus Abenteuerlust, sondern aus einem tiefen Wunsch, die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen: zwischen Ästen, mit dem Wind in den Segeln und den Vögeln als Gesprächspartner.
Die anderen Schiffe tuschelten. Die Containerfrachter rollten mit den Augen. „Typisch Kreuzfahrtromantik“, murmelten sie. Doch MS Sehnsucht liess sich nicht beirren.
Eines Tages, bei einem gewaltigen Sturm, wurde sie an Land gespült, mitten in einen verwunschenen Wald. Dort traf sie Fred, eine alte, weise Tanne, die auf einem Hügel stand und seit Jahren aufs Meer hinausblickte. Fred hatte immer davon geträumt, Teil einer grossen Reise zu sein. Und nun stand sie vor ihm: die MS Sehnsucht, mit Geschichten aus aller Welt und einem offenen Herzen.
Sie begegneten sich in der Dämmerung. Die Schiffswand berührte sanft Freds Äste, und ein leiser Strom aus Geschichten begann zu fliessen. MS Sehnsucht erzählte von tropischen Nächten, von tanzenden Menschen auf Deck, von einsamen Stunden unter Sternen. Fred sprach von Stille, von Wurzeln, von dem Gefühl, mit dem Wind zu flüstern.
Und obwohl sie unterschiedlicher nicht sein konnten - Stahl und Holz, Bewegung und Standhaftigkeit - verband sie etwas Tieferes: die Sehnsucht nach dem Unmöglichen.
Die anderen Bäume kicherten. Die Rettungsboote tuschelten. Doch Fred und MS Sehnsucht hörten nur einander. Ganz langsam wuchs eine wundervolle, unvergleichliche und noch niemals dagewesene Liebe zwischen ihnen.
Sie spürten, dass sie anders waren, doch sie liessen sich von dem Getuschel um sich herum nicht einschüchtern. Im Gegenteil: Sie gingen auf die anderen zu, sprachen mit ihnen, teilten ihre Geschichte. Und so erkannte ihr Umfeld, dass es völlig egal ist, wer man ist oder woher man kommt, denn die tiefe und bedingungslose Liebe verbindet uns, und das immer.
Und genau hier beginnt die Analogie:
Denn die Welt, in der wir leben, ist wie ein grosser Hafen.
Jedes Herz ein Schiff, gebaut aus eigenen Erfahrungen, Prägungen, Hoffnungen. Manche aus Holz, manche aus Stahl, manche mit Narben vom Sturm. Und doch liegen wir alle nebeneinander, Seite an Seite, mit dem gleichen Wunsch: gesehen zu werden, verstanden zu werden, anzudocken und das nicht nur physisch, sondern seelisch.
Doch statt die Taue auszuwerfen, fahren viele weiter, aus Angst, verletzt zu werden.
Sie sehen die Unterschiede in Farbe, Form, Herkunft und vergessen dabei, dass wir alle vom gleichen Wasser getragen werden.
Die gleiche Luft atmen.
In den gleichen Himmel schauen.
Und alle die gleiche Mutter haben. Unsere Mutter Erde.
Die uns trägt, nährt und atmet ohne zu fragen, wer wir sind.
Sie kennt keine Masken, keine Urteile, keine Bedingungen.
Sie nimmt uns auf, genauso wie wir sind.
Mit all unseren Widersprüchen, mit all unserer Sehnsucht.
Vielleicht, weil sie selbst aus Sehnsucht geboren wurde: Nach Leben. Nach Verbindung. Nach Liebe.
MS Sehnsucht und Fred die Tanne erinnern uns daran, dass es nicht darauf ankommt, woher wir kommen oder woraus wir gemacht sind.
Sondern darauf, ob wir bereit sind, uns wirklich zu begegnen.
Mit offenen Herzen,
die nicht verschliessen, sondern empfangen.
Mit Neugier,
die nicht bewertet, sondern fragt: Wer bist du wirklich?
Mit Liebe,
die nicht fordert, sondern einfach da ist.
Mit Verständnis,
das Raum lässt für das, was anders ist.
Mit Respekt,
der nicht vergleicht, sondern anerkennt.
Mit Akzeptanz,
die nicht misst, sondern annimmt.
Mit Offenheit,
die nicht zögert, sondern sich zeigt.
Ohne Vorurteile,
die trennen, bevor wir überhaupt beginnen.
Ohne Hass,
der nichts heilt, sondern nur verletzt.
Ohne Neid,
der vergisst, dass genug für alle da ist.
Ohne Eifersucht,
die Liebe mit Angst verwechselt.
Ohne Streit,
der uns voneinander entfernt, obwohl wir uns doch so nah sein könnten.
Denn wenn wir einander nicht nur sehen, sondern fühlen und das nicht mit den Augen, sondern mit dem Herzen, dann wird aus Begegnung Verbindung.
Und aus Verbindung entsteht etwas, das tiefer ist als Frieden:
Ein stilles Einverstanden sein mit dem Leben.
Ein Miteinander, das nicht erklärt werden muss.
Ein Zuhause in einem anderen Wesen.
Denn in jedem von uns lebt die Sehnsucht, geliebt zu werden, ohne Maske.
Gesehen zu werden, ohne Urteil.
Gehalten zu werden, ohne Bedingung.
Akzeptiert zu werden, genauso wie wir sind.
Und vielleicht erkennen wir dann, dass wir nicht allein sind in dieser Sehnsucht.
Dass sie uns alle verbindet und das leise, tief und unaufhaltsam.
Und genau dort beginnt das, was wir so lange gesucht haben:
Nicht Frieden.
Sondern Menschlichkeit.