© MICHÈLE BACHMANN COACHING
Eine Geschichte über Licht, das sich tragen lässt.
Es war einmal eine Laterne, die seit vielen Jahren an einem alten Hafenpfosten hing.
Sie war aus Messing, mit feinen Verzierungen, und ihr Licht war warm - nicht grell, nicht laut, sondern einladend.
Sie leuchtete für Heimkehrende, für Suchende, für die, die sich verirrt hatten.
Und sie tat das gern.
Doch tief in ihrem Inneren lebte ein leiser Wunsch:
Einmal vom Wind getragen werden.
Nicht um zu fliegen.
Nicht um zu fliehen.
Sondern um zu spüren, wie es ist, nicht fest verankert zu sein.
Die anderen Laternen kicherten.
„Du bist doch zum Leuchten da, nicht zum Schweben.“
„Du gibst Halt - du brauchst keinen.“
Aber die Laterne schwieg.
Sie wusste, dass Sehnsucht nicht immer logisch ist.
Manchmal ist sie einfach da.
Wie ein Flügelschlag im Herzen.
Eines Abends, als der Himmel sich in Gold und Grau kleidete, kam der Wind.
Er war nicht laut.
Er war nicht stürmisch.
Er war einfach da - neugierig, weich, ein wenig müde vom Umherziehen.
Er sah die Laterne und spürte etwas.
Nicht Licht.
Nicht Wärme.
Sondern eine Einladung.
„Du willst getragen werden?“ fragte er.
„Nur für einen Moment,“ flüsterte die Laterne.
„Nicht um zu verschwinden. Nur um zu spüren.“
Und so hob der Wind sie sanft an.
Nicht ganz.
Nur ein wenig.
Gerade so, dass sie sich lösen konnte - von der Erwartung, immer zu leuchten.
Von der Pflicht, immer zu wissen, wo sie hingehört.
Sie schwebte.
Nicht weit.
Nicht hoch.
Aber genug, um zu spüren:
Ich bin mehr als meine Aufgabe.
Ich bin mehr als mein Licht.
Die Laterne kehrte zurück.
Langsam, sanft, wie ein Blatt, das sich wieder auf den Boden legt.
Der Wind hatte sie nicht verändert.
Aber er hatte etwas in ihr berührt, das lange still war.
Sie hing wieder am Hafenpfosten.
Doch etwas war anders.
Nicht sichtbar.
Nicht greifbar.
Aber spürbar wie ein inneres Leuchten, das nicht vom Feuer kam.
Die anderen Laternen bemerkten es.
„Du siehst… weiter aus“, sagte eine.
„Du leuchtest… anders“, sagte eine andere.
Aber die Laterne lächelte nur.
Nicht aus Stolz.
Sondern aus einem stillen Einverstanden sein.
Sie begann, anders zu leuchten.
Nicht heller.
Nicht schwächer.
Aber mit mehr Raum.
Für die Heimkehrenden.
Für die Suchenden.
Für sich selbst.
Und manchmal, wenn der Wind wiederkam, tanzten sie kurz miteinander.
Nicht um zu fliehen.
Nicht um zu vergessen.
Sondern um zu erinnern:
Dass Licht sich tragen lassen darf.
Dass Halt nicht immer fest sein muss.
Dass Freiheit nicht das Gegenteil von Zugehörigkeit ist.
Denn manchmal sind wir wie Laternen: fest verankert, leuchtend, gebraucht.
Und manchmal sind wir wie der Wind: frei, wandernd, ungebunden.
Doch in Wahrheit tragen wir beides in uns.
Das Licht, das anderen den Weg weist.
Und die Sehnsucht, selbst einmal getragen zu werden.
Nicht aus Schwäche.
Sondern aus dem Wunsch, zu spüren, dass wir mehr sind als unsere Funktion.
Mehr als unsere Rolle.
Mehr als das, was andere in uns sehen.
Die Laterne und der Wind erinnern uns daran, dass Halt und Freiheit sich nicht ausschliessen.
Dass wir leuchten dürfen und trotzdem loslassen.
Dass wir stark sein dürfen und trotzdem weich.
Dass wir sichtbar sein dürfen und trotzdem getragen.
Denn Menschsein ist nicht entweder oder.
Es ist ein Tanz.
Ein Schweben.
Ein Leuchten.
Ein Sich-finden zwischen den Gegensätzen.
Und vielleicht ist genau dort unser Zuhause:
In der Bewegung, die nicht flieht.
In der Stille, die nicht starr ist.
In der Verbindung, die nicht bindet, sondern befreit.